Steine ins Rollen bringen
10. März 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Aufbruchstimmung herrscht seit Wochen beim MDR. Eine neue Intendantin fegt durchs Haus und mischt alles auf. Dennoch gibt es Baustellen, die so schnell wohl nicht beendet sein werden. Aus tariflicher Sicht sind das vor allem die Bedingungen für die zahllosen Freien. Um die 1400 von ihnen sind derart eng an den MDR gebunden, dass ihr Status als freie Mitarbeiterin/freier Mitarbeiter teilweise äußerst fragwürdig ist. Das weiß auch die Intendantin. Deshalb gibt es seit langem Tarifgespräche, bei denen die MDR-Freien eine zunehmende Rolle spielen. Frau Professor Wille hat dies, als frühere Juristische Direktorin und Verhandlungsführein, selbst mit angestoßen. Denn dem MDR könnte durchaus Ungemach drohen, wenn freie Mitarbeiter/innen ihren Status einklagen. Die bisherigen Angebote des MDR sind jedoch halbherzig. Statt der Festanstellung soll ein Bestandsschutz die Probleme lösen. Eine für den MDR wichtige Gruppe von Freien könnte aber außen vor bleiben: Die programmgestaltenden freien Mitarbeiter. Für sie soll es nach dem bisherigen Willen des MDR keinen Bestandsschutz geben. Im Moment wird noch verhandelt, das Ergebnis ist unklar. Bleiben die programmgestaltenden außen vor, dann betrifft das vor allem Redakteurinnen und Redakteure. Sie sind schon heute oft Spielball in der MDR-Realität, die sich durch einen Wust von Tarifverträgen, Dienstanweisungen und zwingend anzuwendenden ARD-Reglungen definiert. Selbst gut gemeinte Tarifvereinbarungen schießen da gelegentlich am Ziel vorbei.
So beklagen sich die Freien Mitarbeiterinnen von MDR Info über ein Streichkonzept, dass ihnen vor Ort als Konsequenz aus den mit den Gewerkschaften vereinbarten Tariferhöhungen für ihre festangestellten Kollegen erklärt wird. Ihnen werden weniger Schichten angeboten und da sie von den gestiegenen Grundhonoraren nicht profitieren, ergeben sich für sie letztendlich deutliche Einkommensverluste. Die Betroffenen bei MDR info, wo klassischer Rundfunkjournalismus noch tatsächlich gelebt wird, haben sich im Januar mit ihren Sorgen um Qualität und Existenz an die Intendantin gewandt. Bisher gibt es weder eine Antwort, noch eine sonstige Reaktion aus dem neubesetzten Leipziger Intendantenhaus. (Am 13.3.2012 erfuhr der Autor, dass es einen Gesprächstermin geben soll)
Wie prekär die Situation für Journalistinnen und Journalisten insgesamt ist, zeigt sich noch deutlicher im Printbereich. Die Redakteure von LVZ und DNN können seit dem Sommer des vergangenen Jahres nicht mehr auf regelmäßige Gehaltssteigerungen hoffen, die auf Bundesebene zwischen Gewerkschaften und BZV vereinbart werden. Mit dem Ausstieg ihrer Verlage aus der Tarifbindung ist nunmehr unklar, wie es in der bisher letzten Bastion verlegerischer Tariftreue in Sachsen generell weitergeht. Denn auch nach einer Einigung zu einem Haustarif am 11. November 2011 stehen die endgültigen Unterschriften zu diesen Vertragswerk noch immer aus. Die mittlerweile angekündigte Streichung von mehr als 50 Arbeitsplätzen setzt die Mitarbeiter bei LVZ, DNN und weiteren der LDVG anhängenden Unternehmen erneut unter Druck. Die Verlage klagen, wie die Branche insgesamt, über geringer werdende Werbeeinnahmen. Zu fragen ist allerdings, ob das vielleicht auch schon eine Konsequenz aus der vom Kerngeschäft wegführenden Unternehmenspolitik ist. Dass sie gerade in der only-one-paper-area Leipzig zuerst so deutlich auftritt, sollte zumindest nachdenklich machen.
Unabhängig davon ziehen die anderen gern nach, nur etwas stiller vielleicht. So stagnieren die Gehälter einiger Mitarbeiter bei SZ und MoPo teilweise seit 2005. Nach und nach zogen sich beim DD+V immer mehr Bereiche in ausgelagerte GmbH zurück. Gewollter Nebeneffekt: Haustarif ade;-) Das, was zur Jahrtausendwende den bisher größten sächsischen Journalisten-Streik auslöste, konnte nicht verhindert werden. Ein Unternehmen, dessen Mitarbeiter Anfang der Neunzigerjahre einen Haustarifvertrag erstritten, der permanente Angleichung an die Fläche sicherte, ist zu einem Haufen tariffreier und daher von entsprechendem Vergütungs-Wildwuchs gekennzeichneten Splitter-RuV-Gesellschaften verkommen. Allein kaum lebensfähig und fest im Griff der nach wie vor bestimmenden Zentrale im Dresdner Haus der Presse, die wiederum aus Hamburg dirigiert wird.
Doch es ist nicht alles schlecht im Freistaat. Der dritte große Zeitungsverlag, von der Auflage seines Hauptproduktes her der erste, konnte seinen Mitarbeitern im Herbst des vorigen Jahres immerhin – abweichend vom allgemeinen Branchen-Jammer und durchaus in der Pflicht – eine zweiprozentige Gehaltserhöhung zusprechen. Damit dürfte sich die Freie Presse bezüglich des Umgangs mit ihrem Personal einen guten Dienst erwiesen haben. Mitarbeiter, die Anerkennung finden, sind leistungsbereiter! Und Engagement wird wiederum vom Rezipienten honoriert!
„Die Qualität ist der Wert“ ist auch die Kernerkenntnis der vom DJV gemeinsam mit der Bayerischen Landesvertretung in Berlin veranstalteten Konferenz zum Wert des Journalismus Anfang Februar 2012. Die Aussage betrifft zunächst den Journalismus. Medienmacher sollten sie sich aber generell ins Stammbuch schreiben und das betrifft nicht nur traditionelle Medien. Denn was sich da alles so tummelt zwischen Print, traditioneller Hörfunk/TV-Frequenz und Internetpräsenz wird letztlich daran gemessen. Akzeptierter Journalismus lässt sich nicht auf Dauer mit unausgebildeten Seiteneinsteigern und schlechtbezahlten Journalisten machen. Deshalb fordert der DJV Sachsen seine Mitglieder, auch und vor allem alle freien Redakteure, Schreiber und Bildjournalisten auf, sich gegen unangemessene Vergütung zu wehren. Information und Gedankenaustausch ist dazu ein erster Schritt. Der DJV Sachsen bietet eine entsprechende Veranstaltung am 16. April 2012 in Leipzig an (Vergütung regeln mit Vergütungsregeln).
Michael Hiller
MH@djv-sachsen.de