Zukunft für Leipziger Journalistenausbildung
10. März 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Leipzig ist auch die Wiege der universitätsgebundenen Journalistenausbildung. Und es war nicht irgendeine Ausbildung: Karl Bücher legte von Anfang Wert darauf, dass akademisch Gebildete unter der Anleitung erfahrener Praktiker praxisnahe Übungen absolvierten.
Diese grundsätzliche Ausrichtung – die enge Verbindung von Theorie und Praxis – ist trotz einer insgesamt wechselvollen Geschichte des Bücher-Instituts und seiner Nachfolger bis heute erhalten geblieben. Wer in den letzten sechs Jahrzehnten Journalistik studierte, hatte entweder vor dem Studium ein Volontariat absolviert oder erhielt diese Gelegenheit während dieses Studiums. Sicher einer von mehreren Gründen, der der Leipziger Ausbildung einen guten Ruf in der Praxis und den Absolventen gute Einsatzchancen bis in die Gegenwart garantierte. Und der Leipziger Journalistik sicherte das immer eine Ausnahmestellung. Vergleichbare Universitätseinrichtungen gibt es eben derzeit nur noch in Dortmund und Eichstätt.
Ungute Signale
Doch seit mehr als einem Jahr gibt es ungute Signale in der Öffentlichkeit, die mal nicht nur mit hausinternen Querelen zusammenhingen: „Professorenkrieg an der Uni Leipzig: PR fressen Journalismus auf“ hieß es zum Beispiel in der „taz“ (24.1.2011). Absolventen der Leipziger Uni wandten sich zur gleichen Zeit mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit und bekundeten, dass sie mit „ Entsetzen“ von Plänen erfahren haben, „die Journalistik-Ausbildung an der Universität Leipzig drastisch zu reduzieren“.
Auch der DJV suchte die Öffentlichkeit. Der DJV Sachsen forderte vor einem Jahr in persönlich adressierten Briefen den Rat der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie auf, keine voreiligen Beschlüsse über die personelle Ausdünnung der Abteilung Journalistik zu treffen. „Eine solch folgenreiche Entscheidung sollte vor allem nicht getroffen werden, ohne vorher die davon betroffene Praxis in die Entscheidungsfindung einzubeziehen oder wenigstens zu hören“, hieß es damals. DJV-Bundesvorstand und die DJV-Bildungskommission äußerten sich ähnlich.
Keine Nachfolge für Haller in Sicht
Vorerst gab es keine Entscheidung, damit aber auch keine Nachfolge beim Lehrstuhl Journalistik I, den zuvor der auch in der Praxis geschätzte Michael Haller inne hatte. Doch nun, an der Jahreswende 2011/2012 mehrten sich die negative Anzeichen: Bildungskommission und Landesvorstand erfuhren in Gesprächen, dass erneut die Reduzierung der Journalistik-I-Professur auf eine Juniorprofessur mit allen akademischen Folgen ernsthaft ins Auge gefasst würde.
Für die Öffentlichkeit, die sich daran gewöhnt hat, hochschulpolitische Debatten vorwiegend als Zank über die Zahl abzubauender Professoren- und Mitarbeiterstellen zu erleben, dürfte die Tragweite schwer zu erkennen sein. Den Journalismus freilich würde es schwer treffen – eben gerade in seiner derzeitigen Umbruchperiode mit gravierenden Veränderungen im Berufsfeld des Journalisten. Gerade dieser Prozess bedarf der universitären Begleitung in Ausbildung und Forschung.
Auch hochschulpolitisch wäre es eine geradezu absurde Entscheidung eben diesen vordergründig berufsvorbereitenden Studiengang zu schwächen. Das Institut für KMW wie auch die Uni Leipzig verlören gerade das, was man heute ein „Alleinstellungsmerkmal“ nennt.
Dr. Jürgen Schlimper
JS@djv-sachsen.de
Nachsatz:
Angesichts der unklaren Lage hat unsere Landesvorsitzende das neue Uni-Rektorat um ein Gespräch gebeten, um dort noch einmal auf mögliche Folgen der bekannten Pläne für den Journalismus hinzuweisen. Zu diskutieren wäre über die Leipziger Ausbildung auch auf unserer Mitgliederversammlung und mit Betroffenen. Gespräche mit Letzteren wollen wir hier führen.